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Auf das es niemals soweit kommen wird

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Vor der Abreise – April 2024

Ich stehe in voller Schwerwetterkleidung und meiner Rettungsweste am Beckenrand im feucht-warmen Schwimmbad. Die Luft ist eigentlich ganz warm. Das Wasser soll mit um die 21 Grad auch noch recht angenehm sein. Trotzdem wurden wir darum gebeten, unter die Schwerwetterkleidung warme Sachen drunter zu ziehen. Ca. 30 Minuten später weiß ich warum – ich friere und zittere im Wasser wie Espenlaub.

Wir sind im Maritimen Trainingszentrum Wesermarsch in Elsfleth beim 2-tägigen Training „Sicherheit auf See“. Angemeldet haben wir uns schon vor einigen Wochen, wir wollen den Notfall üben – wenn man so etwas überhaupt üben kann.

Der Sprung ins Wasser kostet mich Überwindung, weiß ich doch, dass meine Rettungsweste mit einem lauten Knall aufgehen und eng am Oberkörper und Hals anliegen wird – nicht gerade das, was ich mag. Ich springe, die Rettungsweste überlegt noch was sie tun soll und ich bin kurz erleichtert, dass sie zu bleibt (was ja völlig irrational ist, denn sie muss ja besser aufgehen), als es auch schon laut knallt und der Schwimmkörper eng anliegt. Sofort werde ich panisch, sofort ist ein Trainer an meiner Seite, lenkt mich ab, bis ich mich nach wenigen Minuten an die Enge gewöhnt habe.

Wir paddeln ein wenig herum und gewöhnen uns an die Situation. 

Dann steht die erste Übung an: Wir trainieren die Raupe. Wir liegen auf dem Rücken, umschlingen mit unseren Beinen den Oberkörper der Person vor uns und halten uns so als Gruppe über Wasser. Bei „Eins“ sollen wir die Arme heben, bei „Zwei“ durchs Wasser ziehen und die Zahlen auch laut rufen. Kurz kommt bei mir ein Gefühl der Sicherheit in der Gruppe auf. Wir bewegen uns tatsächlich vorwärts. 

Bis dahin also gut, wenn dann jetzt nicht die Welle angemacht werden würde. Nicht hoch und trotzdem bringt es mich völlig aus dem Takt. Ich schlucke Wasser, huste und frage mich, was ich hier eigentlich tue.

 

Kurz vor dem Sprung ins Wasser - die Anspannung steht mir deutlich ins Gesicht geschrieben
Nach dem Sprung ins Wasser leicht panisch
Hier geht es dann wieder
Erstmal einpaddeln
Noch ein bisschen paddeln
Übung im Kreis

                                                         Wir üben die Raupe

Danach üben wir, wie wir einen Kreis bilden, um uns gemeinsam über Wasser halten können. Eigentlich recht simpel, einhaken und Füße hoch. Wir singen tatsächlich auch ein Lied, welches ich lautstark mitsinge, um mein Unwohlsein zu verlieren. Ja, obwohl 4 Trainer im Wasser sind und aufpassen, geht es mir nicht so gut. 

Was soll das werden, wenn man tatsächlich draußen auf dem Meer ist? Daran will ich gar nicht denken. Zudem fange ich an zu frieren und fange unkontrolliert an zu zittern. Mein Nachbar fragt, ob es mir gut geht oder ich nicht lieber die Übung abbrechen will. Bloß nicht! 

Zudem habe ich ganz zu Anfang den Schrittgurt meiner Rettungsweste etwas gelockt, da er mich gestört hat. Das führt dazu, dass nun die Weste nach oben rutscht und ich fast mit dem Kopf durch die Weste rutschte. Wieder schlucke ich Wasser, die Welle dazu macht es auch nicht einfacher. Aber ich bleibe im Kreis, ein Trainer hilft mir, den Schrittgurt wieder zu fixieren und gibt mir gleich noch den Tipp: Im Wellental einatmen, auf dem Wellenkamm ausatmen. Oben auf der Welle ist nämlich viel mehr Wasser, was durch die Gegend fliegt. 

Das alles wäre ja eigentlich schon genug, aber nun wird 4 Grad kaltes Wasser von oben im feinsten Sprühnebel auf uns herabgelassen und die Rotoren werden angeschaltet und Wind kommt auf. Zwischendurch wird netterweise auch noch das Licht ausgemacht, es ist stockduster und Blitze werden simuliert. Echt eine heimelige Umgebung, oder? Und habe ich schon erwähnt, dass ich für das Training (nicht zu wenig) Geld bezahlt habe?

                                                      Wir bilden einen Kreis

                                4 Grad kaltes Wasser von oben. Dunkel und Welle dazu.

Jetzt muss jeder von uns den Kreis verlassen, rückwärts zu einer Rettungsinsel schwimmen, die kopfüber liegt, die Rettungsinsel umdrehen und hineinklettern. Endlich bin ich dran, durch das Schwimmen wird mir wärmer und mir gelingt es gut, die Rettungsinsel umzudrehen. Das Einsteigen in die Insel sollte erfolgen, wenn man sich auf einem Wellenberg befindet (ja, inzwischen ist die Welle höher). Ich umklammere den Einstiegsgriff und trete auf eine kleine Stufe an der Insel. Meine gesamte Kleidung hat sich voll Wasser gezogen und die Rettungsweste behindert sehr. Im 3. Anlauf bin ich drin. Ganz sicher bin ich mir aber nicht, ob nicht der Trainer, der dabei gewesen ist, ein bisschen nachgeholfen hat? 

Nachdem jeder einmal alleine in der Rettungsinsel war, sollen wir jetzt alle als Gruppe zur Insel schwimmen und nacheinander hineinsteigen. 

Wir wissen, was dann kommt: Die Rettungsinsel wird geschlossen und höchste Welle angemacht. Vorsorglich werden wir darauf hingewiesen, bei Übelkeit dann nicht in die Rettungsinsel….wegen Gruppendynamik und so… Also umdrehen, Seite der Rettungsinsel anheben und bitte schön nach draußen übergeben. Da frage ich mich kurz, wie oft das schon passiert ist und was da alles so im Wasser schwimmt. 

Diese Übung überstehe ich zum Glück gut, da ich wohlweislich als eine der letzten in die Rettungsinsel gestiegen bin und nicht so lange darin warten muss, bis alle in der Rettungsinsel sind.

Nacheinander werden wir nun mit einer Rettungsschlaufe und einem „Helikopter“ geborgen. Dafür haben wir vorher bereits die Luft aus den Rettungswesten abgelassen, wodurch wir uns viel besser bewegen können. 

In die Rettungsinsel klettern
Gleich drin
Mit dem "Hubschrauber" werden wir hochgezogen

In der Rettungsschlaufe aus der Insel nach oben gezogen zu werden ist ein unglaublich erleichterndes Gefühl. 

Ein Glück geschafft, denke ich! Ich sitze total erschöpft auf einer Bank am Beckenrand und gucke zu, wie Rene aus der Rettungsinsel geholt wird. 

Aber ich weiß, eine Übung fehlt noch. Ich habe um ehrlich zu sein, überhaupt keine Lust mehr. Und die Kraft ist auch weg. Aber was solls, als die Aufforderung kommt, wieder ins Wasser zu springen, mache ich das. Wir müssen zum gegenüberliegenden Beckenrand schwimmen. 

Dort hängt eine sogenannte Jakobsleiter. Das ist eine Strickleiter, die an der Bordwand des Schiffes, das dich retten will, heruntergelassen wird. 

Der Name stammt von der biblischen Jakobsleiter, die einen Auf- und Abstieg zwischen Erde und Himmel ermöglichen soll. 

Während die Wellen die Leiter seitlich immer wieder wegschieben, versuche ich, einen Fuß auf die schmalen Sprossen zu setzen. Ich schaffe schließlich auch diese letzte Übung und bin heilfroh, alles überstanden zu haben. Und auch ein bisschen stolz, dass ich alles so gut gemeistert haben. 

Das Sicherheitstraining hat uns gezeigt, womit wir im Ernstfall rechnen müssen. Es war zwar eine Übung, fühlte sich aber streckenweise absolut real an. 

Ein Wort hat sich uns eingebrannt: „Letzte Ausweg Insel“, so nannten die Trainer die Rettungsinsel. Es ist ein Schlauchboot, mehr nicht. Das Boot sollte nur im absoluten Notfall verlassen werden!

 

Überhaupt hat das zweitägige Seminar viele gute Tipps vermittelt. Neben den Übungen im Wasser und dem Einsatz von Rettungsmitteln behandelten wir auch Themen wie Yachtführung, Crewvorbereitung bei schwerem Wetter, Sturmbesegelung, Leck- und Brandabwehr, Erste Hilfe und das Bergen einer über Bord gegangenen Person. 

Fazit: gut das wir das Training mitgemacht haben. Aber wir hoffen sehr, unsere gelernten Fertigkeiten nie anwenden zu müssen!

                          Fast am Ende der Übung – ein letztes Mal ins Wasser

                 Noch ein letztes Mal zur Jakobsleiter schwimmen und rauf klettern


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